Fachartikel Teil 4:
Prozesskostenrechnung, prozessorientierte Kalkulation (Prozesskostenkalkulation) und Komplexität
Analysen und Auswertungen auf Basis der "Prozessorientierten Kalkulation" (POK)
Heute berichte ich, über Analysen und Auswertungen von Produkten und Kunden, die mit den Daten (Herstellkosten und Selbstkosten) aus der Prozesskostenrechnung (PKR) und prozessorientierten Kalkulation (POK) möglich sind.
Im ersten Teil meines Berichtes stellte ich 2
Projekte (A und B) vor, bei denen durch die Anwendung der PKR und POK,
konkreten Maßnahmen zur Komplexitätsreduzierung und Prozessoptimierung möglich
waren.
Im zweiten Teil stellte ich Details bei der
Ermittlung der Produkt-Herstellkosten durch die Anwendung der POK und PKR im
Vergleich zur traditionellen Zuschlagskalkulation, die heute noch vielfach Standard
ist, vor.
Im dritten Teil stellte ich die Ermittlung
der Produkt-Selbstkosten mit der POK unter Berücksichtigung der Prozesskosten
vor.
Basis für Analysen und Auswertungen – die Kunden-Liefer-Position:
Der dritte Teil meines Berichtes endete damit, dass wir jede
Kunden-Lieferschein-Position mit Selbstkosten und erzielten Kundenpreis
bewertet haben. Jede Kunden-Lieferschein-Position enthält jetzt die anteiligen
Kostenelemente zu den
- Herstellkosten (Material-Einzel- und -gemeinkosten, Fertigungslöhne und -gemeinkosten,
Verwaltungs-Gemeinkosten und die anteiligen Prozesskosten der in Anspruch
genommenen Prozesse.
- Selbstkosten (Gemeinkosten der Forschung und Entwicklung, Marketing und Vertrieb,
Verwaltung und Service sowie die anteiligen Prozesskosten der hier
in Anspruch genommenen Prozesse.
- Liefermenge, erzielter Kundenpreis, ….
Analysen und Auswertungen:
1. Vergleich der Selbstkosten und des Ergebnisses zwischen
traditioneller Zuschlagskalkulation und prozessorientierter Kalkulation (POK):
Diese Auswertung zeigt uns teilweise erhebliche Abweichungen
auf. Bei Produkten mit „kleinen“
Stückzahlen ermittelten wir mit der POK gegenüber der traditionellen
Zuschlagskalkulation um 20%, 50%, 100%, 500% oder in Einzelfällen bis zu 1000%
höhere Selbstkosten.
Bei Produkten mit „großen“ Stückzahlen liegen die Kosten
dann um 2%, 5% oder 10% niedriger.
Die Summe aller Kosten eines Unternehmens haben sich aber
nicht verändert. Die Kosten werden nur verursachungsgerechter zugeordnet.
Speziell bei Ersatzteilen, bei denen die Serienfertigung der
Produkte/Systeme bereits ausgelaufen ist, sahen wir in allen Fällen erheblich
höhere Kosten nach der Bewertung mit der POK. Ein hier bisher positives
ausgewiesenes Ergebnis wurde dann meistens negativ.
Diese Auswertung zeigt uns somit den Handlungsbedarf, z.B. bei
der Preisgestaltung, auf.
Aber auch „make or buy“ Entscheidungen (z.B. für Ersatzteile) basieren dann auf
einer soliden Grundlage.
Um aber die Frage zu beantworten, ob wir uns von Produkten, die Verluste bringen, trennen sollen, brauchen wir Komplexitätsanalysen, um die Beziehungen zwischen den Produkten und Kunden darzustellen.
2. Komplexitätsanalysen:
Zur Erkennung von Komplexität sind u. a. ABC-Analysen (Pareto-Analyse) erforderlich.
Dazu führen wir z.B. eine ABC-Umsatz-Klassifizierung der Produkte durch
(A=80%-Umsatz, B=15% und C=5%) und zeigen dazu auch das Ergebnis auf.
Ansatzpunkte zum Streichen von Produkten liegen auf dem ersten Blick meistens bei den C-Produkten.
Aber was sagen die Kunden dazu, wenn wir Produkte streichen? Sind davon große oder kleine (unwichtige) Kunden betroffen?
Um diese Frage zu beantworten brauchen wir auch für die
Kunden eine ABC-Umsatz-Klassifizierung. Hier sehen wir dann die Wirtschaftlichkeit
(Ergebnis) der Kunden nach Umsatzklassen.
Aber erst wenn wir diese beiden ABC-Analysen kombinieren - zu einer Produkt-Kunden-ABC-Analyse nach Umsatz oder Ergebnis - kommen wir dem Ziel näher, Entscheidungen zum Streichen von Produkten zu treffen. Wir können damit auch leichter Entscheidungen über den Umgang mit unwirtschaftlichen Kunden treffen.
Diese kombinierte ABC-Analye zeigt uns die Kunden-Produktbeziehungen auf.
Wir können 1:1, 1:n oder n:1 Beziehungen zwischen Kunden und Produkten erkennen.
Z.B. sehen wir:
- ob A-Kunden, die A-Produkte kaufen auch unwirtschaftliche C-Produkte kaufen.
- ob C-Kunden nur C-Produkte kaufen
- ob ein A-Kunde nur ein einziges Produkt bei uns kauft
- usw.
3. Auswirkungen auf die Prozesse:
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Grundlage für
diese Auswertungen die Prozesskosten und die in Anspruch genommenen Prozesse
sind, deren Anteile wir jeder Kunden-Lieferposition zugerechnet haben.
Wenn wir uns jetzt z.B. von unwirtschaftlichen Kunden oder Produkten trennen, können
wir die Auswirkungen auf die in Anspruch genommenen Prozesse und Prozesskosten
sofort darstellen. Dies ist dann eine solide Grundlage zur Optimierung der
Prozesse und somit zu einer Prozesskostensenkung.
Es ist aber auch möglich, dass wir bei unwirtschaftlichen
Produkten eine überhöhte Inanspruchnahme von z.B. „teuren“ Prozessen
erkennen.
Hier können wir dann auf das Produktdesign Einfluss nehmen,
indem „billige“ Prozesse anstatt „teure“ in Anspruch genommen werden. Auch auf
eine Reduzierung der Inanspruchnahme von Prozessen können wir hinwirken, indem
z.B. anstatt 150 Einkaufteile nur noch 30 Einkaufsteile in einem Produkt Verwendung
finden.
Dies ist dann auch die Basis für ein Prozess-Controlling,
welches u. a. die Ergebnisse aus der Produktentwicklung berücksichtigt.
Ebenfalls hat das „Trennen“ von unwirtschaftlichen Kunden
Auswirkungen auf die Inanspruchnahme von Prozessen und ist im
Prozess-Controlling zu berücksichtigen.
Die zuvor dargestellten Analysen zeigen uns aber auch, wo
wir Handlungsspielraum bei der Preisgestaltung der Produkte, die in hohen
Stückzahlen gefertigt werden, haben.
Wenn hier (z.B. bei A-Produkten) zusätzliche Aufträge
gewonnen werden, dann hat dies auch Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der Prozesse
und ist ebenfalls in einem Prozess-Controlling zu berücksichtigen.
Zusammenfassung:
Der Vergleich der Selbstkosten und des Ergebnisses zwischen
traditioneller Zuschlagskalkulation und prozessorientierter Kalkulation (POK)
zeigt teilweise erhebliche Abweichungen bei Kosten und Ergebnis auf und
ermöglicht uns bereits Maßnahmen zur Optimierung einzuleiten.
Die zusätzlichen Komplexitätsanalysen zeigen die
interessanten Produkt-Kundenbeziehungen bei Umsatz und Ergebnis auf.
Maßnahmen zur Optimierung (Kostensenkung, Umsatzsteigerung, Produktdesign,
…) haben Auswirkungen auf die Inanspruchnahme von Prozessen und deren Kosten
und sind wichtige Faktoren für ein Prozesscontrolling.
In Kürze werde ich Ihnen die Software zur
prozessorientierten Kalkulation (POK) vorstellen. Damit kann folgendes durchgeführt
werden:
- Ermittlung der Herstellkosten und Selbstkosten unter Berücksichtigung der Prozesskosten
- Kosten-, Umsatz- und Ergebnisvergleiche zwischen POK und der traditionellen Zuschlagskalkulation
- Kosten-, Prozess-, Komplexitätsanalysen und Controlling.
Hermann Schlichting